9. Oktober 2025, 17 Uhr im Detmolder Rathaus

Ausstellungseröffnung „Anders als die Andern – Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen.“

Am 9. Oktober 2025 wurde am Abend die Ausstellung „Anders als die Andern – Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen.“ im Detmolder Rathaus eröffnet.

“Anders als die Andern” ist ein Film von 1919 über die gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern und zudem ein Zitat aus dem “Lila-Lied”, das 1920 geschrieben wurde und als Hymne der Homosexuellen galt. Es ruft dazu auf, vorgegebene Moralvorstellungen infrage zu stellen, neugierig durch das Leben zu gehen und Menschen zu akzeptieren, die von der gesellschaftlich-anerkannten Norm abweichen. Exemplarisch werden in der Ausstellung Biographien von Menschen präsentiert, die während des NS-Regimes stigmatisiert, entrechtet, verfolgt, vertrieben, ermordet wurden, und bis heute kaum wahrgenommen werden. Eine Rehabilitierung und Anerkennung als Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft fand erst spät statt, ein Gedenken an diese vergessenen Verfolgten findet nur zögerlich Einzug ins kollektive Gedächtnis..

Die Ausstellung entstand anlässlich der zentralen Gedenkveranstaltung zum 27. Januar 2025 im Rahmen einer Unterrichtsreihe des Zusatzkurses Geschichte der Q2 des Grabbe- Gymnasiums. Ergänzt wird die Ausstellung im Rathaus durch die Originale eines Bilderbuchprojekts der Schüler*innen des Leistungskurses Kunst der Q2 des Abiturjahrganges 2025 des Grabbe-Gymnasiums. Die Schüler*innen erzählen die Schicksalsgeschichte von Margarete Lükermann aus Detmold in Form eines Bilderbuches. Für ihre jüngeren Mitschüler*innen wollen sie zum emotional herausfordernden Thema der sogenannten Krankenmorde einen ersten Zugang schaffen. In erster Linie soll dieses Buch aber ein Gedenken an eine junge Frau sein, die in einem ähnlichen Alter wie die Schüler*innen des Q2-Kurses Opfer der NS-Ideologie wurde. Begleitet wurde das Projekt von der Illustratorin und ehemaligen Grabbianerin Francis Kaiser und der Kunstlehrerin Annegret Niehus-Berkemann.

Ausstellungseröffnung: Anders als die Andern – Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen.
Ausstellungseröffnung: "Anders als die Andern – Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen." im Detmolder Rathaus, Foto: Privat

 

 

Ausstellungseröffnung: Anders als die Andern – Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen.
Ausstellungseröffnung: "Anders als die Andern – Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen." im Detmolder Rathaus, Foto: Privat

 

Eingestimmt wurden die Anwesenden im Rathaus durch das ursprünglich jiddische Swingstück „Bei mir bistu shein“ von Sholom Secunda (Musik) und Jacob Jacobs (Text), gespielt von der Grabbe-Band unter der Leitung von Markus Wischer.

Nach der Begrüßung mit wertschätzenden, aber auch nachdenklichen Worten der stellvertretenden Bürgermeisterin Christ-Dore Richter, erinnerte die Leiterin des Stadtarchivs Dr. Bärbel Sunderbrink an die Ereignisse um den 9. November 1938 und die Bedeutung des Gedenkens als Teil der Erinnerungskultur der Stadt Detmold, insbesondere die Einbeziehung und aktive Mitwirkung von jungen Detmolder*innen. Mit sehr bewegenden Worten brachte die Historikerin Gudrun Mitschke-Buchholz (u.a. Verfasserin des digitalen Gedenkbuches https://www.gedenkbuch-detmold.de/)) den Anwesenden die Schicksale der Familien Bonom-(Horowitz), Soltys-Gottlieb und Vogelhut aus Detmold nahe. 

Gudrun Mitschke-Buchholz beschrieb die Welt der osteuropäischen Jüdinnen und Juden, die vor allem in Polen, der Ukraine und Galizien lebten und Jiddisch sprachen. Ihr Leben war geprägt von religiöser Tradition, kultureller Vielfalt, aber auch von Armut und Antisemitismus. Romantisierende Bilder vom Shtetl und chassidischem Leben stehen der Realität von Armut, Verfolgung und Vertreibung gegenüber. Viele wanderten zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Westen aus – auch nach Detmold –, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Die nach Detmold ausgewanderten Familien aus Galizien bauten sich in Detmold ein Leben auf. Die Familie Vogelhut eröffnete das „Detmolder Bekleidungskaufhaus“ in der Krummen Straße, Regina Bonom-Horowitz eine Pfandleihanstalt in der damaligen Weinbergstraße (heute Paulinenstraße). Dennoch blieben sie von Diskriminierung und Ausgrenzung nicht verschont, wurden entrechtet und schließlich wiederum Opfer von Verfolgung und Vertreibung. Die sogenannte Polenaktion von 1938, Lager wie Zbaszyn oder Ghettos in Bochnia und Rzeszow, sowie Auschwitz markieren Stationen ihres Leidenswegs. Einzelne Rettungsversuche wie die Hilfe durch den französischen Bürgermeister Paul Juilla konnten das Schicksal vieler nicht wenden – sie wurden ermordet oder gelten als verschollen. (Den Redetext finden Sie hier.)

Im Anschluss an diese tief berührenden Erzählungen schilderten die Schülerinnen Elisabeth Erichsmeier und Charlotte Kohlwey von der Israel-AG ihre Eindrücke der Projektwoche und gingen auf die Bedeutung des Erinnerns und Gedenkens ein: Auch ihre Generation sei verantwortlich, dass die vergangenen Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten. In der Projektwoche sei ihnen besonders die Beschäftigung mit den Biographien in Erinnerung geblieben. „Wir alle haben schon oft von den Verbrechern des nationalsozialistischen Regimes gehört, doch oft kommt es zu einer Art der Depersonalisierung dieser. Die großen Zahlen von denen wir hören, klingen erschreckend, aber sie geben uns nicht mal ansatzweise eine Vorstellung davon, wie groß das Ausmaß an Leid wirklich wahr. Und genau das wollten die Nazis ja auch.“ Er sei auch ihre Verantwortung und ihr Anliegen, dass die Namen genannt und die Persönlichkeiten und ihre Schicksale nicht vergessen werden.

Am Ende erklangen die melancholischen Klänge des Liedes „Donna Donna“ von Sholom Secunda (Musik) und Aaron Zeitlin (Text), dargeboten von der Grabbe-Band.

Die Ausstellung wird vom 9. Oktober bis zum 13. November im Detmolder Rathaus zu sehen sein.


 

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.